Uwe Zoller

Er wollte nur frei sein

Vor 34 Jahren wurde Uwe Zoller für 90.000 DM an die BRD verkauft. „Ich konnte bisher nicht darüber reden. Ich wollte nicht an die schrecklichen Monate erinnert werden.“ Mit diesen Worten beginnt mein Interview mit Uwe Zoller  an. Er schluckt mehrmals, ehe er weiterreden kann. „Freiheit ist etwas, das man erst schätzt, wenn man es nicht mehr hat.“

Der erste Fluchtversuch

Uwe Zoller aus Zeitz weiß, wovon er redet. Als 17-jähriger hat er gemeinsam mit einem Freund versucht, über die tschechische Grenze zu fliehen. „Wir waren jung und hatten Flausen im Kopf.“ erzählt Uwe Zoller. Nur mit Kompass und einem Bolzenschneider ausgestattet, wollten sie einen Ausbruchsversuch starten. Als sie planlos durch die Grenzregion streiften, sind sie sofort den Grenzsoldaten aufgefallen und wurden festgenommen. Nach drei Monaten Haft im „Roten Ochsen“ in Halle und dem Versprechen, in der DDR bleiben zu wollen, durften sie nach Zeitz zurück und ihre Ausbildung beenden.

Friedensgruppe in Zeitz

Aber so richtig anpassen konnte sich Uwe Zoller in den folgenden Jahren nicht. Er wollte etwas bewirken. Er wollte die Leute wachrütteln. Einen große Wendepunkt in seinem Leben stellte das Unglück in Tschernobyl dar. „Da erzählte uns der Parteisekretär, dass der antifaschistische Schutzwall uns vor allem – auch vor den gefährlichen Strahlen – beschützt. Danach wollte ich nicht mehr still halten.“ Mit einigen Freunden gründete er eine Friedensgruppe in Zeitz.

„Von Anfang an war auch die Stasi mit dabei. Das habe ich aber erst hinterher erfahren.“ Uwe Zoller wusste, auf was er sich einlässt. „Es hat mich fertig gemacht, dass Millionen für eine Grenze, einen angeblichen Schutzwall, ausgegeben wurden. Einen Schutzwall, der sich nur nach innen richtete.“ In seinem delphingrauen Trabant hatte er das Schild „Schwerter zu Pflugscharen“, das Zeichen der damaligen Friedensbewegung, angebracht. Dass das Schild ebenso wie die rot-gelb-schwarze Kordel im Parka nicht geduldet wurden, können sich Jugendliche von heute kaum noch vorstellen.

Verrat durch Landesbischof

Im Jahr 1987 spürte Uwe Zoller, dass sich etwas grundlegend geändert hatte. „Es war wie ein Strudel. Die Ereignisse überschlugen sich.“ Die Staatssicherheit durchsuchte seine Wohnung und er wurde verfolgt. 1987 entließ ihn sein damaliger Arbeitgeber. Der psychische Druck auf ihn wurde immer größer. „Als ich mich 1988 weigerte, zur Armee zu gehen, wurde für mich die Lage prekär.“ Aus lauter Verzweiflung schrieb Uwe Zoller einen Brief. In diesem teilte er mit, dass er sich eher wie Brüsewitz verbrennen werde, ehe er zur Armee gehe. Dieses Schreiben schickte er an den damaligen Landesbischof Werner Leich und eine Kopie an Bekannte in der Bundesrepublik Deutschland.

Haft im Roten Ochsen

Drei Wochen nach Versenden der Zeilen wurde er von Mitarbeitern der Staatssicherheit abgeholt und zuerst nach Halle in den „Roten Ochsen“ gebracht. Was er danach erlebte, kann er kaum in Worte fassen. Immer wieder ist Uwe Zoller den Tränen nahe. Selbst nach so vielen Jahren fällt es ihm schwer, darüber zu reden. Er wusste wochenlang nicht, wo er sich befand, konnte sich mit niemand unterhalten. „Am schlimmsten war die Angst, umgebracht zu werden.“ bringt er stockend hervor. Die Gerichtsverhandlung in Halle, bei der nicht einmal seine Eltern dabei sein durften, dauerte eine halbe Stunde. Wegen Verstoßes gegen § 219 (2) Ziffer 1 des Strafgesetzbuches der DDR wurde Uwe Zoller zu ein Jahr und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Durch seinen Brief wurde angeblich das Ansehen der DDR im Ausland geschädigt und dafür musste Uwe Zoller büßen.

„Als der Richter ‚Im Namen des Volkes‘ sagte, empfand ich es als Hohn.“ erinnert sich Uwe Zoller. Nach der Gerichtsverhandlung kam er ins Gefängnis in Cottbus. Dort wurde er von einem Gefängniswärter „begrüßt“, der den Spitznamen „Roter Terror“ hatte. Dass der Mann nach der Wiedervereinigung für seine Taten rechtskräftig verurteilt wurde, kann Uwe Zoller nicht mehr trösten. Seine Narben am Kinn zeugen noch von den damaligen Erziehungsmethoden. „In Cottbus waren wir mit den normalen Kriminellen untergebracht und wurden auch so behandelt.“ erzählt er. „Eines Morgens wurde ich geweckt und musste meine Sachen packen. Niemand sagte mir, wo ich hingebracht wurde.“ Erst in Chemnitz überreichte man ihm die Ausbürgerungsurkunde. Die DDR hatte ihn für 90.000 DM an die BRD verkauft. Kahl geschoren und mit Gefängnissachen kam er in Gießen an. „Das war für mich ein Schock. Nach den vielen Monaten war ich endlich in Freiheit.“ Doch Narben bleiben!

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Wie ich Uwe Zoller kennenlernte

Uwe Zoller lernte ich bei einer meiner Recherchen für eine Wochenzeitung durch Zufall kennen. Unser ersten Zusammentreffen war wirklich kurios und daran schuld war ein Hund.

Lesen Sie hier mehr über unser erstes Zusammentreffen.

Seine Geschichte erschütterte mich und schnell beschlossen wir, diese als Warnung niederzuschreiben.

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